Im Zeichen des Bösen. Figurlosigkeit und Kapitalismus in <em>Fargo</em> 1‒3

Im Zeichen des Bösen. Figurlosigkeit und Kapitalismus in Fargo 1‒3

Par HUSSER Irene

[Illustrierte Ausgabe im PDF-Format]

 

 

« Vereinfacht dargestellt gibt es [...] in den populären Mediendarstellungen eine Tendenz, das Böse auch visuell zu gestalten und ‹ auszubuchstabieren ›, in den weniger populären Medien hingegen erscheint es eher als eine innere Konstruktion von psychischer Deformation und devianten Handlungen 1. » Triviale populäre Kultur bringt ein triviales, vereindeutigtes Böses hervor – diese Beobachtung mag für einen Teil der populären Darstellungen des Bösen zutreffen, doch lässt sich auch eine gegenläufige Tendenz feststellen : die Tendenz zu seiner Verrätselung und komplexen Gestaltung. Ein Blick auf die Beiträge dieses Heftes genügt, um einen Eindruck von der Vielfalt der populären Imaginationen des Bösen zu bekommen. Dabei bedarf es nicht zwangsläufig einer Psychologisierung, um eine diesbezügliche Komplexität in Szene zu setzen; im Folgenden sollen vielmehr Formen der Entindividualisierung und Depersonalisierung in den Blick geraten, mit denen das Böse eine Verrätselung erfährt – eine Verrätselung, die in populärkulturellen Verfahren und Produktionsweisen strukturell angelegt ist.

Ein deutlicher Zusammenhang zwischen ästhetischen und narrativen Praktiken der Populärkultur und der Darstellung des Bösen als unbestimmbar und nebulös tritt im Kontext des seriellen Erzählens zutage. Unter den Begriffen der Serie, Serialität bzw. des seriellen Erzählens sind künstlerische Formen zu verstehen, die durch « die Aneinanderreihung von Elementen und/oder durch mehr als zwei Wiederholungen 2 » entstehen. Serien können demnach das Ergebnis einer Präsentation oder Anordnung sein, die bereits existierende Elemente zueinander in Beziehung setzt, oder eine künstlerische Produktionspraxis bezeichnen, die einer Logik der Wiederholung folgt. Dabei vermag das Strukturgesetz der Wiederholung antagonistische, böse Figuren oder Kräfte hervorzubringen, die ein gewisses Maß an Komplexität aufweisen und sich einem unmittelbaren Zugriff entziehen, um seriell wiederkehren zu können : « Ein Mörder mag gefasst sein, doch das Böse bleibt bestehen und steht pünktlich zum Sendebeginn der nächsten Folge wieder bereit, um die Protagonisten zu beschäftigen 3. » Vor allem dort, wo die serielle Wiederholungslogik eine Überbietungsdynamik entfaltet 4, erfährt das Böse eine Ausweitung und Ausdifferenzierung, durch die die Ebene der Figur überstiegen wird.

Diese Vorüberlegungen zur populär-seriellen Konstruktion des Bösen sollen im vorliegenden Beitrag an der von Kritiker*innen hochgelobten Serie Fargo (2014‒) spezifiziert werden. Bei Fargo handelt es sich um eine Adaption der mit zahlreichen internationalen Preisen prämierten schwarzen Krimikomödie Fargo (1996) der Filmemacher Ethan und Joel Coen, die für Noah Hawleys Projekt nun als ausführende Produzenten tätig sind. Fargo ist als Anthologie-Serie konzipiert, die inzwischen drei Staffeln umfasst, die 2006/07, 1979 und 2010/2016 im Mittleren Westen der USA spielen 5. Unter Anthologie-Serien sind Sammlungen narrativ in sich abgeschlossener Elemente (Episoden oder Staffeln) zu verstehen, die trotz Orts-, Zeit-, Figuren-, Stilwechseln etc., die diese von Folge zu Folge bzw. Staffel zu Staffel vornehmen können, serielle Kohärenz über unterschiedliche Parameter (Erzählweise, Figurentypologie etc.) etablieren. Dahingehend lassen sich auch für die bisherigen Fargo-Staffeln wiederkehrende, Kontinuität und Kohärenz stiftende Elemente identifizieren. So schaffen die Einheit des Ortes (der Mittlere Westen der USA), rekurrente Figuren (Mr. Wrench), paratextuelle Rahmungen (« This is a true story. ») oder auch intertextuelle Anspielungen (auf das filmische Universum der Coen-Brüder, die Bibel, den Mythos von Sisyphos etc.) Verbindungen und Querverweise unter den drei Staffeln.

Die anthologische Funktion greift aber auch auf der Ebene der Handlungs- und Figurengestaltung und prägt so das thematische Profil der Reihe. Der serielle Plot und die Figurentypologie sind als Variationen der filmischen Handlung angelegt : Im Mittelpunkt des Geschehens steht staffelweise eine polizeiliche Ermittlerfigur (Molly Solverson, Lou Solverson, Gloria Burgle), zu deren hervorstechendsten Merkmalen ihre Normalität und Bodenständigkeit, moralische Integrität, eine gewisse Antiquiertheit, aber auch Scharfsinnigkeit zählen, die sie immer wieder in Konflikt mit bürokratischen Strukturen und uneinsichtigen Vorgesetzten treten lassen. Diese Figuren bewegen sich in einem semantischen Raum, der die Merkmale Heimat, Familie, Beschaulichkeit und Tradition, in seinen negativen Ausformungen auch Naivität, Einfältigkeit und Weltfremdheit trägt, im Kontext des Kriminalgenres 6 zum Paradigma der Ordnung zusammengefasst werden kann und durch den Einbruch des Bösen bedroht wird – wobei es hinsichtlich der seriellen Darstellung des Bösen zu differenzieren gilt : Das Böse ist in Fargo einerseits als eine fremde, von außen in die Idylle der amerikanischen Kleinstadt eindringende Macht gestaltet; die Konfrontation mit diesem Anderen wird für die Bewohner*innen der verschlafenen Landstriche andererseits zu einer Bewährungs- und Zerreißprobe. Es begegnen Figuren, die sich in einer Sisyphos-artigen 7 Anstrengung dem Kampf gegen das Verbrechen stellen, und Figuren, die der Verführung durch das Böse erliegen und sich zu unmoralischen oder gar kriminellen Handlungen verleiten lassen (Lester Nygaard, Peggy Blumquist, Emmit Stussy). In der Störung der Ordnung wird die amerikanische Kleinstadtidylle einer Dekonstruktion unterzogen, die das Gemeine und Böse inmitten der provinziellen Durchschnittlichkeit freilegt. Dahingehend lassen sich zwei Modi des Bösen in Fargo unterscheiden : das individuelle, von Figuren, die ostentativ als Durchschnittstypen markiert sind, ausgeübte und das überindividuelle, verbrecherische Böse, wobei der Fokus dieser Ausführungen auf dem letzteren liegen soll.

Während das Gute in Fargo über alle Staffeln hinweg eine gewisse Konstanz aufweist, ja Beständigkeit gar sein zentrales Merkmal darstellt, ist das Böse durch eine Variabilität definiert, die der Logik des Seriellen verpflichtet ist. Aus produktionsästhetischer Perspektive lässt sich eine intraserielle Steigerung des Bösen geltend machen, die im Zeichen der Extension steht. Während in Staffel 1 der Fokus auf den Auftragskiller und ‹ lone wolf Lorne Malvo › gelegt wird, widmet sich Fargo 2 dem mafiösen Netzwerk der Kansas City Mafia, während in Staffel 3 mit V. M. Varga ein Böses entworfen wird, das die nihilistischen Züge von Malvo mit den apersonalen Strukturen der Kansas City Mafia vereinigt, wobei die Organisation, für die Varga arbeitet, nun eine globale Dimension erreicht hat. Im vorliegenden Beitrag soll geltend gemacht werden, dass dieser produktionsästhetischen Steigerung des Bösen eine historische Entwicklung entspricht. Denn betrachtet man die anthologischen Einheiten in ihrer chronologischen Ordnung – 1979 (Staffel 2), 2006 (Staffel 1), 2010/16 (Staffel 3), so treten Wechselwirkungen in der Darstellung des Bösen zutage, die einer Logik der Evolution verpflichtet sind und eine gesellschaftskritische Agenda verfolgen. In den bisherigen drei Serienstaffeln wird der Antagonist stets mit einer überindividuellen Signatur versehen und bringt damit nicht nur Verwicklungen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereiche zur Darstellung, sondern ist gleichermaßen als Sinnbild der US-amerikanischen Gesellschaft angelegt. Diese allegorische Dimension des Bösen in Fargo soll im Weiteren eruiert und zugleich soll beleuchtet werden, wie die Darstellung des überindividuellen, gesellschaftlich wirksamen Bösen erfolgt. Dazu gilt es zunächst zu klären, was unter dem ästhetischen Konzept der Figurlosigkeit zu verstehen ist.

 

Figur und Figurlosigkeit

Das Konzept der Figurlosigkeit bezieht sich negativ auf den Begriff der Figur, dessen Ursprünge in die Antike zurückreichen. Theaterhistorisch bezeichnet die Figur eine Innovation des Tragödiendichters Thespis (6. Jh. v. Chr.), der dem kultischen Chor der Dionysos-Festspiele einen Schauspieler gegenüberstellt und damit die Tragödie als dramatische Gattung begründet 8. Diese Frühform der Tragödie zeichnet sich durch ein Wechselspiel von chorischem Sprechen und monologischen Passagen aus, welche die Weichen für die Genese der dramatischen Figur stellen. Die Figur in der Tragödie konstituiert sich in der Ablösung von ihrem chorischen Grund, indem sie « aus dem Unbestimmten hervortritt 9 » und sprachlich-körperlich Gestalt annimmt. Die dramatische Figur ist folglich Form, die sich von einem Hintergrund abhebt und dadurch Sichtbarkeit erlangt, und zugleich Inhalt, mit dem diese Form gefüllt wird. Den Fokus auf die plastische Dimension der Figur legt Erich Auerbach, der in seinem Streifzug durch die antike und mittelalterliche Dichtung und Philosophie, das Alte und Neue Testament aufzeigt, dass der abendländische Begriff der figura an Vorstellungen der Plastizität und Sinnlichkeit geknüpft ist 10.

Demnach ist also unter Figurlosigkeit ein Darstellungsmodus zu verstehen, der eine Tendenz zur Entsinnlichung, Dekorporation und Abstraktion des Dargestellten aufweist. Wenn sich die Figur durch die Ablösung und Emanzipation von ihrer (sozialen) Umgebung konstituiert, also durch Form und Plastizität Sichtbarkeit erlangt, zeichnet sich das Figurlose vice versa durch Formlosigkeit und Immaterialität aus. Dem Figurlosen eignet eine Ununterscheidbarkeit und Grenzenlosigkeit. Folglich realisiert sich Figurlosigkeit als Ästhetik des Entzugs in der Negation der körperlichen und identitätslogischen Dimension der Figur. Diese ontologische Uneindeutigkeit bringt zugleich eine epistemologische Komplexität mit sich. Insofern es sinnlich nicht identifizierbar ist, lassen sich nur bedingt Urteile über das Figurlose treffen; Wissen des Figurlosen impliziert immer schon ein Moment des Nicht-Wissens. Damit bewegt sich das Konzept der Figurlosigkeit im Spannungsfeld von Besonderem und Allgemeinem, Individuum und Umwelt, Körper und Geist und bezieht seine Sprengkraft aus der Verwischung dieser kategorialen Grenzen.

Mit Knut Hickether lässt sich feststellen, dass die Ästhetik der Figurlosigkeit literaturhistorisch immer wieder in der Auseinandersetzung und Gestaltung des Bösen zum Tragen gekommen ist : « Seit antiken Zeiten wird narratologisch bei der Thematisierung des Bösen mit dem Aspekt der Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit gearbeitet 11. » So beruhe auch die Bedrohung, die durch das Böse hervorgerufen wird, darauf, dass « ihm in aller Regel etwas Unbestimmtes, Nicht-genau-Erkennbares, etwas Diffuses innewohnt 12 ». Hickethers Darstellungen zielen darauf, das Erzählen als Beherrschung und Eindämmung des Bösen geltend zu machen, wohingegen dieser Beitrag den gegenteiligen Weg einschlägt und einen Versuch zur Systematisierung des Unbestimmten und Diffusen, das in Darstellungen des Bösen aufgerufen wird, unternimmt. Ein Ansatz zu einer diesbezüglichen Zusammenstellung lässt sich bei Karl Rosenkranz finden, der mit seiner Ästhetik des Hässlichen einen Grundstein zur Auseinandersetzung mit von der klassischen Ästhetik vernachlässigten und verfemten Phänomenen gelegt hat. Rosenkranz behandelt das Böse unter dem Abschnitt « Die Defiguration oder die Verbildung », wobei er als Defiguration die Entartung der natürlichen « sittlichen Selbstbestimmung 13 », also « das ethische und religiöse Hässliche 14 » bezeichnet. Das Böse unterscheidet er von anderen Formen des moralisch und ethisch Hässlichen (dem Gemeinen, dem Plumpen etc.) dahin gehend, dass es « die positive, absolute Unidee » darstellt, also den Begriff des Guten und Wahren « ideell-reellerweise 15 » negiert. Rosenkranz interessiert sich in erster Linie nicht für die sinnlich-figurative Dimension des Bösen, weist allerdings am Rande darauf hin, dass bereits in Homers Ilias in der Figur des Thersites eine Verbindung von körperlicher Fehlbildung und moralisch dubioser Gesinnung zutage tritt 16. Gerade jedoch im Hinblick auf Rosenkranzʼ Darlegungen zur formalen Konzeption des Hässlichen lässt sich seine Unterscheidung des Bösen in das Verbrecherische, das Gespenstische und das Diabolische um darstellungstheoretische Überlegungen ergänzen und für die weitere Analyse fruchtbar machen.

Das verbrecherische Böse ist nach Rosenkranz an die Figur des Verbrechers gebunden, wobei er in der Tradition der Ständeklausel drei Kategorien des Verbrechens unterscheidet : erstens das gemeine, ‹ prosaische Verbrechen ›, das « einem Kreise der Roheit und Unbildung, der Faulheit und Not, der Beschränktheit und habituell gewordenen Schuftigkeit 17 » entspringt und « mit dem Bewusstsein über das welthistorische Auftreten des Proletariats [...] [eine] poetisierende[...] Behandlung 18 » erfahren hat; an zweiter Stelle das Verbrechen, « wie es aus den Verwicklungen der bürgerlichen Gesellschaft, aus den Leidenschaften des Egoismus hervorgeht 19 », und drittens das « tragische Verbrechen » öffentlicher Persönlichkeiten (Rosenkranz nennt z. B. Fiesko, Wallenstein und Macbeth), das « mit den großen Interessen der Gesellschaft, des Staats und der Kirche verschmolzen ist 20 ». Das verbrecherische Böse ist also an Figuren geknüpft, die durch ihre Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht einen gewissen Grad an Typologisierung aufweisen, der allerdings schichtenspezifisch variiert : Figuren der unteren Schichten erfahren eine weniger individualisierte Darstellung als die Helden*innen der tragischen Gattung, ihre Handlungen verweisen immer auch auf ihre soziale Umwelt. Trotz dieser schichtenspezifischen Unterschiede ist das verbrecherische Böse bei Rosenkranz figurativ zu denken, insofern es an eindeutig identifizierbare kriminelle Protagonisten*innen gebunden ist. Diese figurative Bestimmung des verbrecherischen Bösen erscheint allerdings dort unzureichend, wo das Verbrechen nicht von einer Figur, sondern von einem Kollektiv oder einer Organisation ausgeht, die in ihrer Ganzheit nicht durchleuchtet werden kann und in unterschiedliche Instanzen zerfällt. So wird bereits in Geheimbundromanen des 18. und 19. Jahrhunderts das Bild einer undurchsichtigen kriminellen Vereinigung entworfen, deren Aufbau und Zuständigkeiten nicht geklärt werden und die auch nicht mit einer Figur identifiziert werden kann, die als Verkörperung der Organisation auftritt. Friedrich Schillers Der Geisterseher (1787‒1789), um hier ein prominentes Beispiel zu nennen, bleibt eine Aufklärung über die Zusammensetzung und die Reichweite der Geheimgesellschaft Bucentauro schuldig. Gegenüber Rosenkranz ist also die Möglichkeit eines figurlosen verbrecherischen Bösen geltend zu machen, dass seine erste populäre Ausgestaltung in Geheimbundromanen in den Jahrzehnten zwischen Französischer Revolution und Vormärz erfahren hat und mit Darstellungen der organisierten Kriminalität Eingang in die Populärkultur des 20. und 21. Jahrhunderts finden sollte.

Die Vorstellung eines figurlosen Bösen steht jedoch in einer noch weiter zurückreichenden Tradition und findet sich bereits in der jüdisch-christlichen Ikonographie des Teufels wieder, die künstlerische Darstellungen des Anti-Christen jahrhundertelang beeinflusst hat. In der jüdisch-christlichen Theologie wirkt der Teufel, indem er die Menschen zum Bösen verführt. Zentrale biblische Geschichten (Sündenfall, Hiob, Versuchung Jesu in der Wüste) ranken sich um das Thema der Verführung und Verführbarkeit bzw. Nicht-Verführbarkeit des Menschen und haben auch die literarischen Auseinandersetzungen mit dem Diabolischen maßgeblich geprägt – man denke da nur an die unterschiedlichen Aufbereitungen des Faust-Stoffes. Ein literarisch bewährtes Mittel der Verführung stellt die Verstellung und Täuschung dar; Merkmal des Teufels ist sein Maskenspiel, hinter dem er verschwindet und für seine Opfer undurchschaubar bleibt: In John Miltons epischem Gedicht Paradise Lost (1667) wird der Teufel dementsprechend als « Artificer of fraud 21 » [‹ Meister des Betrugs ›] charakterisiert; gleichermaßen beherrscht Mephistopheles in Goethes Faust (1808) die Kunst der Verwandlung und Verstellung (und nähert sich Faust z. B. als Pudel), wobei ihn eine Uneindeutigkeit aber auch in dem Sinne charakterisiert, dass seine moralische Bestimmung ambivalent ausfällt und er sich als « Teil von jener Kraft,/ Die stets das Böse will, und stets das Gute schafft 22 », versteht.

In seiner Wandlungsfähigkeit und Maskenhaftigkeit ist dem diabolischen Bösen eine Figurlosigkeit eigen, die sich auch für Rosenkranzʼ dritte Kategorie des Bösen geltend machen lässt : das Gespenstische. In der Tradition des Volksglaubens und der Gespenster- und Schauerliteratur der Neuzeit versteht Rosenkranz das Gespenst als eine postmortale Existenzform, die in einem Schuldzusammenhang steht (Schuld der Toten gegenüber der Nachwelt oder Schuld der Nachwelt gegenüber den Toten) und deren Wiederkehr durch das « Vorhandensein eines unabgeschlossenen, unausgeglichenen faktischen oder emotionalen Schuldkontos 23 » bedingt ist. Rosenkranz interessiert sich nicht für Erscheinungsformen des Gespenstischen, dabei bringt gerade die traditionelle Darstellung des Gespenstes als ätherisch-schemenhaft, durchscheinend und opak 24 das Konzept der Figurlosigkeit paradigmatisch zur Geltung.

Bereits dieser kurze Abriss hat gezeigt, dass künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Bösen auf einen Darstellungsmodus zurückgreifen, der die Vorstellung einer eindeutig identifizier- und von ihrer Umwelt abgrenzbaren Figur übersteigt, und Tendenzen zur Entsinnlichung, Verrätselung und Verdunkelung des Gegenstandes aufweisen. Mit Rosenkranz lassen sich das verbrecherische Kollektiv, der Teufel und das Gespenst als Spielarten des figurlosen Bösen bestimmen, die auch noch in der Gegenwart als Folie der Auseinandersetzung mit moralisch verfehltem Verhalten und kriminellen Strukturen dienen. Auch wenn diese Darstellungskonventionen also auf eine lange theologische und künstlerische Tradition zurückblicken können, so entfalten sie doch ausgehend vom 19. Jahrhundert eine zeitgeschichtliche Signatur, die auf spezifische politische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen zurückverweist.

 

Darstellungsprobleme : Moderne und Kapitalismus

Die Spät-/Moderne in ein Verhältnis zur Figurlosigkeit zu setzen, bedeutet, ihr ein gewisses Maß an Evidenz abzusprechen, der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Modernisierung Tendenzen zur Entgrenzung, Entsinnlichung und Entmaterialisierung zu attestieren. Tatsächlich lassen sich diesbezügliche Tendenzen mit Blick auf die Diagnose der gesteigerten Komplexität spät-/moderner Lebenswelten geltend machen. Die Komplexität zählt zu einem Schlüsselbegriff von Theorien der Moderne und umfasst Phänomene der Vernetzung, Beschleunigung, Globalisierung, Virtualisierung und Flexibilisierung « der verschiedensten Gebiete des Alltags, der Wissenschaft, der Technik und Technologie, der Ökonomie und Ökologie, der Kultur überhaupt 25 ». Diese Entwicklungen forcieren Prozesse der Ausdifferenzierung und Verdichtung, Fragmentierung und Vermengung, die eine Abgrenzung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären verunmöglichen. Komplexität ist nach Karen Gloy demnach sowohl epistemologisch als auch ontologisch zu denken : Aufgrund der « Vielgestaltigkeit und Heterogenität der Beziehungen » bleibt der komplexe Sachverhalt « intransparent, unfassbar und unverständlich 26 ». Der Begriff der Komplexität bezieht sich nicht auf einen isolierten Gegenstand, sondern betrifft die Ebene der Relationen, ihre Vielzahl und Vielfalt, und verlangt dementsprechend auch nach einem Darstellungsmodus, der über die einzelnen Akteur*innen und Figuren hinaus die Vernetzung und Verflechtung der Systemkomponenten in ihrer Unüberschaubarkeit zum Ausdruck zu bringen vermag.

Als besonders komplex werden in der Kultur- und Sozialtheorie Systeme beschrieben, die sich immateriell jenseits der sinnlichen Erfahrbarkeit vollziehen, so etwa Finanzprozesse. Im Umfeld der Finanzkrise 2007ff. ist die Frage nach den Erscheinungs- und Funktionsweisen des global organisierten Finanzkapitalismus verstärkt in den Fokus literatur- und theaterwissenschaftlicher Auseinandersetzungen gerückt. So weist Bernd Blaschke auf die Immaterialität und « Unsichtbarkeit » finanzwirtschaftlicher Prozesse hin, « die nahezu ohne menschliches Agieren abgewickelt werden in elektronischen Handelssystemen 27 ». Die Digitalisierung der Finanzmärkte, auf die Blaschke die Entsinnlichung der Finanzökonomie zurückführt, ging – wie Joseph Vogl darlegt – einher « mit der Gründung elektronischer Börsen, mit der Verbreitung des Computerhandels seit den 1980er Jahren, mit dem Ausbau der Netze, der Einführung von ISDN und der Umstellung des Frequenzspektrums auf dreihundert Megahertz 28 ». In der Binärcode-basierten Galaxis vollzieht sich die Kapitalbewegung als reine Informationsbewegung, das digitale Geld wird zu einer « reine[n] Information, ohne jeden Inhalt, der sein Verwandlungsvermögen schmälern könnte 29 ». Die Ermittlung von Werten im monetären Sektor findet heutzutage jenseits einer körperlich erfahrbaren Realität statt und ist das Ergebnis von Datenströmen, Informationsabgleichen und Differentialgleichungen. Dementsprechend haben theaterwissenschaftliche Untersuchungen herausgestellt, dass sich die Immaterialität finanzwirtschaftlicher Prozesse « als sperrig oder gar resistent gegenüber der Körper- und Sichtbarkeitslogik 30 » figurativer Darstellungsformen im Theater erweist, aber auch für andere darstellende Künste wie den Film stellt die apersonale Struktur der Finanzwirtschaft eine Herausforderung dar.

Dabei ist auch abseits des finanzwirtschaftlichen Sektors für die Organisations- und Funktionsweise des Kapitalismus eine figurative Problematik geltend gemacht worden. Ein « abstrakte[s], an sich unbegreifliche[s] Gedankenbild[...] 31 » stellt ebenso der Konzern dar. In seiner Untersuchung sprachlicher und visueller Darstellungen von korporativen Unternehmensmodellen (Konzernen, Kapitalgesellschaften) macht Daniel Damler mit den Metaphern der Krake, des Imperiums, des Komplotts, des Molochs u. a. symbolische Hilfskonstruktionen aus, mit denen die komplexen Strukturen des korporativen Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert anschaulich gemacht wurden. Damler zeigt aber auch auf, dass diese Metaphorik des Monströsen « gedanklich Brennpunkte sozialer, ökonomischer, juristischer und politischer (Fehl-)Entwicklungen zu einem undurchdringlichen assoziativen Feuerkreis » vereinigte, und problematisiert, dass diese populären Imaginationen des Bösen die Hinwendung zu totalitären Herrschaftssystemen begünstigten : « Der Staat sollte gleichsam seine Würde zurückgewinnen, sollte wieder Angst und Schrecken verbreiten, wie einst, zu Beginn der Neuzeit [...] – mit dem Unterschied, dass diesmal der Kampf gegen organisierte, wenngleich eigenwillig organisierte Mächte auf der Agenda stand 32. »

Die Komplexität der (ökonomischen) Moderne vermag den Wunsch nach Eindeutigkeit und Simplizität zu wecken und kann so gerade zum Einfallstor für totalitäre oder konspirative Weltbilder werden, regt aber auch zu differenzierten gesellschaftskritischen Auseinandersetzungen an, die im Darstellungsmodus der Figurlosigkeit der Undurchsichtigkeit der politisch-ökonomischen Verhältnisse Rechnung tragen. So ist mit Fargo eine Serie in den Blick zu nehmen, in der der Durchschlag kapitalistisch-neoliberaler Maximen auf die soziale Wirklichkeit eruiert und in seiner Tragweite für demokratische Gesellschaften beleuchtet wird.

 

Fargo 2 – Der Mafia-Konzern

Die zweite Staffel von Fargo spielt im Jahr 1979, das in der Serie als ein Schwellendatum markiert ist. So wird der Serienhandlung gleich in der ersten Folge eine Montage der 1970er Jahre aus Fernsehbildern von Warteschlagen an den Tankstellen (Ölkrise), von sozialen Protesten, bettelnden Menschen, Bildern des Serienmörders John Wayne Gacy sowie Sektenführers und Massenmörders Jim Jones vorangestellt, die von einer Rede des Präsidenten Jimmy Carter unterlegt und als nationale « crisis of confidence » und « loss of a unity of purpose 33 » kommentiert werden; die Figur Mike Milligan wird die 1970er Jahre in 02x04 auch als « hangover 34 » bezeichnen, der dem Rausch der Sechziger Jahre, der nationalen Aufbruchsstimmung und gesellschaftlichen Liberalisierung folgt. Dieses turbulente Jahrzehnt verlangt nach einer Erlöserfigur, die dem gebeutelten Land einen Weg in die Zukunft weisen kann. Dieser Zustand der Orientierungslosigkeit und des hoffnungsvollen Wartens wird in dem Titel der ersten Folge eingefangen, die in Anlehnung an Samuel Becketts Meisterstück des absurden Theaters Waiting for Godot « Waiting for Dutch » heißt, wobei es sich bei « Dutch » um den Spitznamen von Ronald Reagan, bis in die 1960er Jahre Hollywood-Schauspieler und von 1981‒1989 Präsident der Vereinigten Staaten, handelt. Ungeduldig warten auf Dutch nicht nur Schauspieler, Regisseur und Komparsen am Set des fiktiven Films Massacre at Sioux Falls in der ersten Szene von Fargo 2, während Reagan in der Maske vorbereitet wird; in der intertextuellen Engführung wird Reagan wie Godot zugleich zur Chiffre für die kollektive Erwartung einer Providenz, deren Eintreffen ungewiss ist. Reagan wird zwar 1980 zum 40. Präsidenten der USA gewählt, aber ob seine Präsidentschaft die nationalen Heilserwartungen erfüllen wird, stellt die Serie infrage.

Fargo 2 ist als eine Auseinandersetzung mit ökonomischen, politischen und sozialen Entwicklungen der 1970er Jahre zu lesen, die in den 1980er Jahren unter Reagan weiter Form annehmen sollten und deren Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Die Pointe der zweiten Staffel besteht allerdings darin, dass diese Entwicklungen im Milieu des organisierten Verbrechens verhandelt werden. Im Zentrum von Fargo 2 steht die Konkurrenz zwischen zwei mafiösen Organisationen, der Gerhardt-Familie und der Kansas City Mafia, die einen blutigen Krieg um die Vorherrschaft im Mittleren Westen führen, den Kansas City für sich entscheiden kann. Den beiden Syndikaten liegen unterschiedliche Organisationsstrukturen zugrunde, auf die sich auch ihr Erfolg bzw. Misserfolg zurückführen lässt. 1931 hatte der deutsche Einwanderer Dieter Gerhardt mit illegalen Geschäften « an empire from a shoe shine box 35 » gegründet und dessen Vorherrschaft im nördlichen Mittleren Westen durch Ausschaltung von rivalisierenden Banden und Syndikaten gesichert : « Kill the king, be the king 36. » In der Gegenwartshandlung 1979 stürzt der Schlaganfall des Familienoberhaupts Otto Gerhardt, der die Geschäfte von seinem Vater 1950 übernommen hatte, die Gerhardts in eine tiefe Krise. Ein Machtkampf um die Erbfolge zwischen den Brüdern Dodd und Bear, die beide « want their shot at the throne 37 », entbrennt, der auch durch die Matriarchin Floyd, die die Leitung des Familienclans ad interim übernimmt, nicht beigelegt werden kann.

Es fällt auf, dass Fragen der Machtausübung in der Gerhardt-Familie in vormodernen, monarchisch-absolutistischen Kategorien verhandelt werden; es ist immer wieder von Königen, Thronen, Imperien etc. die Rede. Herrschaft in der Gerhardt-Familie ist traditionell dynastisch organisiert und wird an den ältesten Sohn weitervererbt. Diese patrilinearen Abstammungs- und Herrschaftsverhältnisse gründen auf einem Männlichkeitskult, der (körperliche) Stärke, Gewaltbereitschaft und Brutalität idealisiert und mit der Verachtung und Abwertung des Weiblichen einhergeht : « See, the male in the species, heʼs got the potential for greatness. Look at your kings of old : Napoleon, Kublai Khan, Sampson! Giants made of muscle and steel! But these women ... even in those bible movies you see it. Delilah, Scheherazede. [...] I think Satan is a woman 38! » Dass dieses dynastische Herrschaftsverständnis in den 1970er Jahren bereits der Vergangenheit angehört, macht nicht nur die anachronistische Terminologie deutlich; das Verfallsdatum des patrilinearen Modells tritt auch in den Körpern der männlichen Familienmitglieder zutage, die als versehrt und verwundbar gezeichnet werden : Der Patriarch Otto erleidet einen Schlaganfall, Bear trägt einen Gips, Charlie, Bears Sohn, leidet an einer zerebralen Bewegungsstörung und Dodd wird von Peggy mit einem Elektroschock-Gerät und einem Messer zugerichtet. Diese Körper werden dem Modell der patrilinear-körperschaftlichen Herrschaft, auf das sie sich berufen, nicht gerecht, zugleich führt das Bestehen auf dem männlichen Herrschaftsanspruch zum Untergang der Familie : Floyds Kompromisspolitik wird von Dodd sabotiert; Bear bringt seine Nichte um, weil sie sich der ‹ horizontalen Kollaboration › schuldig gemacht hat, sich dabei auf das Erniedrigungs- und Racheritual des Kahlscherens von französischen Frauen, denen ein sexuelles Verhältnis zu deutschen Besatzungssoldaten unterstellt wurde, 1944/45 berufend. So ist der Zerfall der Familie Gerhardt als ein Zerfall von innen gestaltet und einer Kultur des Chauvinismus und Machismo zuzurechnen, die auch von rassistischen Denkstrukturen und Ressentiments durchzogen ist : Hanzee, Handlanger des Gerhardt-Clans indigener Abstammung, wendet sich gegen seine Gönner*innen, die ihn als Kind unter ihre Fittiche genommen haben, für die er aber nie ein vollwertiges, gleichberechtigtes Mitglied der Familie werden kann – eine Erfahrung, die ihm auch in anderen sozialen Kontexten widerfährt. Als verdienter Vietnam-Veteran ist er im Alltag fortwährend rassistischen Anfeindungen und Vorwürfen, unpatriotisch zu sein, ausgesetzt.

Im Gegensatz zum Familienbetrieb der Gerhardts ist die Kansas City Mafia korporativ organisiert und verfolgt keine anderen Interessen als die Profitmaximierung. Diese ökonomische Maxime lässt sich indes am wirksamsten dort verwirklichen, wo Menschen ihren Machtanspruch nicht auf Erbfolgerechten gründen, sondern Leistung, Einsatz und Flexibilität zeigen – und ausgetauscht werden können, wenn sie die Leistung nicht mehr liefern. Und genau diese Austauschbarkeit wird in der zweiten Staffel von Fargo zum Merkmal des spätmodernen Bösen, eines organisierten Verbrechens, das sich von der dynastisch-körperschaftlichen Herrschaft, wie sie in den Klassikern des Mafiafilms (The Godfather, Good Fellas, Scarface) ergründet und von der Gerhardt-Familie perpetuiert wird, verabschiedet hat und das kein Gesicht und keinen Körper mehr besitzt. Am Anfang der Staffel wird ein im Dunklen verbleibender Protagonist eingeführt (Abb. 1), dessen visuelle Präsentation den Eindruck erweckt, hier habe man es mit einem Superschurken und Mastermind des organisierten Verbrechens zu tun; dieser entpuppt sich in 02x10 allerdings als Angestellter der mittleren Führungsebene, Hamish Broker, der Mike Milligan, dem beförderten Auftragsmörder, die Abläufe und Strukturen des Unternehmens erklärt (Abb. 2) : Die Arbeitszeit dauert von 9 bis 17 Uhr, Überstunden werden aber gern gesehen; Milligan solle sich einen gutsitzenden grauen oder gestreiften Anzug anschaffen; die Geschäfte werden vor allem auf dem Golfplatz geschlossen; Aufstiegschancen hat derjenige, der Ideen für effektive Sparmaßnahmen einbringt.

 

Mike Milligan fremdelt mit diesen apersonalen Machtstrukturen, hatte er sich doch noch zuvor im Sinne des absolutistischen personen- und körpergebundenen Machtmodells als neue Größe des organisierten Verbrechens imaginiert und nach erfolgreicher Eroberung des feindlichen Territoriums das Erbe der Gerhardt-Familie antreten wollen :

 

Do you know what the definition of the word sovereignty is ? […] Sovereignty is absolute power and authority. […], today is my coronation day. And on coronation day, Iʼve always believed, a new king should start his reign with an act of kindness. […] And an act of cruelty. That way your subjects know that youʼre capable of both. God and monster  39.

 

Wie die Gerhardts ist auch Milligan noch nicht in dem neuen Corporate America, das aus Konzernen und Kapitalgesellschaften auf Aktien- und Anteilbasis verfasst ist, angekommen. Dieses kooperativ organisierte Verbrechen lässt sich nicht verkörpern und mit einer Figur identifizieren, sondern ist anonym gestaltet und weist in dieser Figurlosigkeit eine Intransparenz und Komplexität auf, die es der Gerichtbarkeit entziehen. Dahingehend ist auch das Ende von Fargo 2 offener und damit auch unversöhnlicher gestaltet : Während das diabolische Böse (Lorne Malvo) in Staffel 1 noch überwunden werden kann und das verbrecherische Böse (Lester Nygaard) an seiner Hybris zugrunde geht, löscht sich in Staffel 2 zwar die Familie Gerhardt aus, ihre Machenschaften gehen aber an eine größere mafiöse Organisation über. Die Polizisten sind gegenüber dem organisierten korporativen Verbrechen machtlos und werden auch gar nicht dabei gezeigt, wie sie gegen das Syndikat ermitteln.

Im Milieu der organisierten Kriminalität wird also eine historische Schwellensituation durchgespielt : der Übergang vom Eigentümer- zum Managerkapitalismus, von mittelständischen Unternehmensstrukturen zum Zeitalter der Multikonzerne und Tycoons. In dieser Überblendung der kriminellen und ökonomischen Sphäre werden die wirtschaftspolitischen Entwicklungen am Ende des 20. Jahrhunderts als ein Prozess kenntlich gemacht, der die Entstehung einer neuen Form der organisierten Kriminalität befördert, die gegenüber dem traditionellen familiären Mafia-Verbund einen höheren Komplexitätsgrad aufweist. Nicht nur entzieht sich dieses Böse der Sichtbarkeit und Belangbarkeit, weil es netzwerkartig und figurlos organisiert ist; in seinem unternehmerischen Profil lässt es sich zudem nicht eindeutig vom ökonomischen Feld abgrenzen.

Dabei wird in Fargo 2 die Entstehung dieses Bösen nicht als ein unumgänglicher Modernisierungsprozess in Szene gesetzt, sondern an eine konkrete historische Situation zurückgebunden. Die Zentralisation des Kapitals durch umfassende Zusammenschlüsse in Kartellen, Verbänden, Holdings und Konzernen reicht zurück ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts 40, doch konnte erst eine Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung und Deregulierung der Märkte die Weichen für die umfassende Aushöhlung und Destabilisierung der Mittelschicht durch die Konzentration der ökonomischen Macht in den Händen von wenigen Unternehmensgiganten stellen. Der Bezug auf Reagan dient deshalb auch dazu, dem sich im organisierten Verbrechen vollziehenden Veränderungsschub eine gesamtgesellschaftliche Signatur zu geben. Reagan sollte als Präsident in die Geschichtsbücher eingehen, der das Ende des nachkriegszeitlichen Systems des Organisierten bzw. Gesteuerten Kapitalismus 41 eingeläutet und mit der Reaganomics eine neoliberale, unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik durchgesetzt hat 42. Die Serie blickt nicht nostalgisch-sozialromantisch zurück auf die nachkriegszeitliche Prä-Reagan-Ära, die als ein Amerika der Korruption, des Sexismus und Rassismus problematisiert wird, schlägt aber modernisierungs- und kapitalismus- bzw. neoliberalismuskritische Töne an und stimmt auf die Entstehung einer sozio-ökonomischen Ordnung ein, die eine neue, komplexe Form der Kriminalität hervorbringen wird.

 

Fargo 1 – Das diabolische Böse

Die zweite Staffel endet nicht nur mit der Übernahme des Gerhardt-Territoriums durch die Kansas City Mafia, sondern gibt auch einen Ausblick auf den Aufstieg Hanzee Dents, des ehemaligen Lakaien der Gerhardts, zur Mafia-Größe, « like the phoenix, rising from the ashes 43 ». Hanzee kündigt an, Rache an Kansas City zu üben und ein eigenes ›Imperium‹ zu gründen, was ihm auch gelingen wird : 2006 sieht man ihn als Moses Tripoli, Boss des Verbrechersyndikats von Fargo, das allerdings durch Lorne Malvo, den zentralen Antagonisten der ersten Staffel, zerschlagen wird. Bei Hanzee Dent und Lorne Malvo handelt es sich um enigmatische Einzelgänger, die ihr Vorbild in der Figur des Anton Chigurh aus dem Post-Western No Country for Old Men (2007) der Coen-Brüder haben 44. Diesen Antagonisten ist gemeinsam, dass sie sich durch Unbestimmtheit und Maskenhaftigkeit auszeichnen. Hanzee unterzieht sich einer plastischen Gesichtsrekonstruktion, nicht nur, weil er (durch Verbrennungen) entstellt wird, sondern weil er sich auch vor der Polizei verstecken muss, und schafft sich eine neue Identität als Moses Tripoli. Auch der Auftragskiller Lorne Malvo nimmt berufsbedingt mehrere Identitätswechsel vor und gibt sich als Pfarrer Frank Petersen und Zahnarzt Mick Michaelson aus. Malvo ist nicht als Individuum gestaltet, man erfährt nichts von seiner Vergangenheit und sieht ihn auch nicht in privaten zwischenmenschlichen Interaktionen. Dieser Mann hat so wenige ihn als Individuum ausweisende Eigenschaften, dass sogar seinen Alter Egos ein höherer Grad an sozialer Evidenz zukommt. Während der fiktive Pfarrer Frank Petersen eine Gemeinde-Homepage und weitere Einträge in Lokalzeitungen vorzuweisen hat, ergibt die Internet-Suche nach Malvo keinen Treffer; als Mick Michaelson führt Malvo ein aktives Liebes- und Sozialleben.

Diese Maskerade bezeichnet ein klassisches Merkmal des diabolischen Bösen, dem Malvo auch in anderen Aspekten entspricht :

 

Malvo ist wandlungsfähig, kann in die Zukunft blicken, erscheint und verschwindet wie ein Phantom; er ist ein Versucher, der das Böse in Menschen weckt, darauf verweist bereits sein Name. Im Familiennamen steckt 'le mal', der Vorname Lorne leitet sich wiederum vom keltischen loverno ab, was 'Fuchs' bedeutet. Der Fuchs galt im mittelalterlichen Bestiarium als Sinnbild des Satans, welcher durch List und Tücke dazu bringt, den Teufel zu verehren  45.

 

Die diabolische Gestaltung von Malvo wird durch religiöse Bezüge komplettiert : Nicht nur posiert er als Pfarrer, sondern er erpresst auch den tiefgläubigen Geschäftsmann Stavros Milos und treibt ihn in den Wahn, indem er biblische Plagen über ihn kommen lässt. Seine Taten sind dabei nicht von Gier oder von einem anderen ‹ niedrigen Beweggrund › geleitet, sondern von einem gewissen Spieltrieb, von der Lust daran, Chaos und Unordnung zu stiften, die gesellschaftlichen Konventionen und Wertvorstellungen zu negieren und auszuhöhlen. Im Sinne von Rosenkranzʼ Bestimmung des Diabolischen zeichnet sich Malvos Verhalten dadurch aus, dass er « das Gute prinzipiell hasst, seine Negation zum absoluten Zweck macht und an dem Hervorbringen des Übels und des Bösen seine Freude hat 46 ».

Im Gegensatz zum Bösen in Fargo 1 und dann wieder in Fargo 3 kommt in der Figurengestaltung von Malvo eine gesellschaftliche Komponente nicht explizit zum Tragen. Im Gegenteil weist die Figurenzeichnung nicht nur in der Aufrufung religiöser Kontexte, sondern auch in dem von Malvo exponierten Weltbild archaisierende Züge auf :

 

Your problem is you spent your whole life thinking there are rules. There aren’t. We used to be gorillas. All we had was what we could take and defend. [...] youʼre still an ape, deep down where it counts  47.

 

Well, I’m saying that the Romans, raised by wolves, they see a guy turning water into wine, what do they do ? They eat him. ’Cause there are no saints in the animal kingdom. Only breakfast and dinner  48.

 

Malvo vertritt eine Herrenmoral, in der das Recht des Stärkeren gilt und die er im Natur- und Tierreich begründet sieht. Die Naturalisierung seines Moral- und Weltverständnisses lässt Malvo als « Inkarnation des übernatürlichen und nahezu unüberwindbaren übernatürlichen 49 », da zeitlosen Bösen auftreten, doch wird diese Naturalisierung in der Serie einer Dekonstruktion und Re-Historisierung unterzogen. Malvo geht an seiner Herrenmoral zugrunde, indem er sich auf ein Kräftemessen mit Lester Nygaard, dem er seine Überlegenheit unter Beweis stellen will, einlässt. Diese Konfrontation verliert er, weil er seine Mitmenschen, die er in der ‹ natürlichen Rangordnung › unter sich stehen sieht, unterschätzt. Das Alpha-Männchen Malvo wird maßgeblich von Molly Solverson zu Fall gebracht, einer Frau, sowie von Lester Nygaard und Gus Grimly, beide dezidiert als Männer ausgewiesen, die die stereotypen Rollenerwartungen und Männlichkeitsbilder (physische Kraft, Dominanz, Risikobereitschaft) nicht erfüllen. Malvos Weltbild wird also in der ersten Staffel falsifiziert und erfährt darüber hinaus eine historische Einordnung. Staffel 1 ist ein Vierteljahrhundert nach der zweiten Staffel angesiedelt – zu einem Zeitpunkt, als die sich in den 1980er Jahren abzeichnenden politischen und ökonomischen Entwicklungen (Neoliberalisierung, Deregulierung, Individualisierung) vollends entfaltet und gesellschaftliche Folgen gezeitigt haben. Obschon diese Entwicklungen in Fargo 1 nicht explizit zum Thema gemacht werden, sind sie als Bedingungsmöglichkeit des Erscheinens des diabolischen Bösen geltend zu machen. Malvos sozialdarwinistisch geprägtes Bild einer « dog-eat-dog 50 »-Welt liest sich im historischen Horizont der Serie als ideologische Grundlage einer von Eigeninteressen und Wettbewerb bestimmten Gesellschaft. Diese Naturalisierung soziohistorischer Tatbestände tritt dann in Fargo 3 als neoliberale Ideologie offen zutage, wenn der Geschäftsmann Varga bei der Übernahme einer Firma philosophiert : « You see it all the time in the wild. The smaller animal going limp in the jaws of the larger. Genetic instinct. At some level, food knows itʼs food 51. »

 

Fargo 3 – Das gespenstische Böse

Die Gestaltung des Bösen in Staffel 3 vereinigt Züge des Bösen aus den bisherigen Staffeln in der Personalunion von V. M. Varga und der Firma Narwal. Die Nähe von Varga und Malvo wird durch den Motivkomplex des Animalischen, der bei der Charakterisierung der Figuren zum Einsatz kommt und sich auch in ihrem Weltbild widerspiegelt, etabliert. Malvo identifiziert sich nicht nur mit Raubtieren, sondern wird auch auf der Bildebene in Bezug zum Wolf gesetzt so etwa, wenn auf dem Bildschirm in einem Truck, in dem er Empfänger zum Abhören des Polizeifunks erwirbt, Wölfe zu sehen sind oder ein Wolf vor Malvos Hütte erscheint, der Gus Grimly auf dessen Spur bringt. Gleichermaßen leitet sich auch der Name des Antagonisten der dritten Staffel vom schwedischen varg für ‹ Wolf › ab; in der vierten Episode wird Varga von einer Erzählinstanz, die von dem Schauspieler Billy Bob Thornton (der Malvo in der ersten Staffel verkörpert hatte) eingesprochen wird, mit dem Wolf im musikalischen Märchen Peter und der Wolf gleichgesetzt. Auch tragen Vargas Handlanger Tiermasken, mit denen sie ihre Raubtier- und Jägermentalität zum Ausdruck bringen.

Zugleich ist das Böse in Fargo 3 aber auch als Fortführung des korporativen Bösen in Staffel 2 angelegt, deren Überbietungslogik der historischen Entwicklung des Kapitalismus verpflichtet ist. Hatte Fargo 2 noch die Ablösung des Eigentümer- durch den Managerkapitalismus beleuchtet, richtet sich der Blick nun auf den Finanz- und Investorenkapitalismus, dessen Aufstieg in den 1980er Jahren « eine einschneidende Veränderung des Gesamtsystems 52 » nach sich gezogen hat :

 

Die Logik der Kapitalmärkte schlägt nun viel direkter auf die Unternehmensstrategien durch als in den Zeiten des ausgeprägten Eigentümer- oder Managerkapitalismus. Der Markt wird noch ubiquitärer und zwanghafter. Der Spielraum der einzelnen Unternehmensleitungen schrumpft. Die Unternehmen werden einander ähnlicher. Der Einfluss der Banken ist rückläufig. Die Vertreter der Fonds kontrollieren, aber werden zugleich kontrolliert; sie fordern permanent Rechenschaft, die sie selbst permanent geben müssen. Sie können jederzeit verkaufen und ihr Portfolio umschichten, das gibt ihnen große Macht. [...] Sie haben meist keine Bindung an die vielen Unternehmen, über die sie, gewissermaßen von außen, mitentscheiden. Deren Inhalte, Traditionen und Akteure interessieren sie wenig. Sie entscheiden auf der Basis gängiger Kennzahlen und empfindlich reagierender Marktsignale, sie orientieren sich eindimensional am Profit, am share holder value  53.

 

Dieser wirtschaftshistorische Abriss gibt die Handlung der dritten Staffel in nuce wieder : Emmit Stussy, Gründer und CEO des Parkflächenbetreibers Stussy Lots Ltd., hatte – weil dem Unternehmen im Zuge der Finanzkrise 2007ff. kein Kredit von der Bank gewährt worden war – sich Geld von einer Firma namens Narwal geliehen. Als er nun 2010 nach überstandener Krise seinen Kredit zurückzahlen möchte, wird er darüber in Kenntnis gesetzt, dass es sich bei der Millionensumme um kein Darlehen, sondern um eine Investition gehandelt hat, mit der Narwal sich in das mittelständische Unternehmen eingekauft hat. Varga, der eine leitende Position bei Narwal innehat (oder gar der Vorgesetzte ist), kann Emmit Stussy mit der Aussicht auf Reichtum davon überzeugen, ihn zum Partner von Stussy Lots Ltd. zu machen, woraufhin Varga das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit insolvent gehen lässt und so schließlich die Übernahme durch eine andere Firma einleitet. Vor allem aber dient die Infiltration von Stussy Lots Ltd. zur Hinterziehung von Steuergeldern und Abzweigung von Unternehmensvermögen, wofür Emmit Stussy strafrechtlich belangt wird, während Varga und Narwal zunächst unbescholten davonkommen 54.

Letztlich wird nicht eindeutig geklärt, um was für eine Organisation es sich bei Narwal eigentlich handelt – offensichtlich um einen Hedgefonds oder eine Private-Equity-Gesellschaft, die sich aggressiv « auch profitabel arbeitende Unternehmen aufkauft[...],‹ rationalisiert › [...], ausschlachtet[...] und aufteilt[...], um sie dann, vielleicht in Teilen, gewinnbringend weiterzuverkaufen und weiter zu ziehen 55 ». Die Serie findet in Vargas bulimischen Verhalten ein Sinnbild für diese finanzwirtschaftliche Praxis des Corporate Raiding (Unternehmensplünderung), als deren Triebkraft eine pathogene Gier nach Profitmaximierung zutage tritt. Auch wenn es sich beim Corporate Raiding um eine moralisch fragwürdige Geschäftspraxis handelt, wird sie doch durch das geltende Finanz- und Wirtschaftsrecht gedeckt. Tatsächlich strafbar machen sich Narwal und Varga wegen Steuerhinterziehung, können aber die finanz- und steuerrechtlichen Spielräume bzw. das Fehlen einer diesbezüglichen internationalen Gesetzgebung für sich nutzen und unter dem Deckmantel der Unternehmensübernahme Geldwäsche im großen Stil betreiben. Kriminell sind obendrein die Methoden, derer sich Varga bedient, der vor Hackerangriffen, Einschüchterung, Erpressung, Misshandlung und Mord zur Durchsetzung seiner Ziele nicht zurückschreckt.

Nichtsdestotrotz ist in der Serie diesen kriminellen Machenschaften mit den herkömmlichen juristischen und polizeilichen Mitteln 56 nicht beizukommen, weil dem finanzkapitalistisch profilierten Bösen eine neue Dimension der Figurlosigkeit eignet. Figurlos ist es nicht nur in dem Sinne, dass es sich bei Narwal um eine kriminelle Vereinigung handelt, figurlos ist das Böse in Fargo 3 auch, weil es Systemcharakter hat. In der Serie wird die Finanzwirtschaft als eine Sphäre gezeichnet, in der das Primat der Profitmaximierung im Zusammenspiel mit fehlenden Regulierungen die Weichen für Betrug und verantwortungsloses Handeln stellt. So ist Narwal in ein « intricate web of shell companies and loan-outs with secret accounts in Monaco, Luxembourg and the Cook Islands 57 » eingebunden – ein Netzwerk, dessen Reichweite (so viel kann der Beamte der IRS feststellen) bis nach Washington reicht und das die Exekutive (Polizei, Finanzamt) nicht zu durchdringen vermag.

Im Gegensatz zur zweiten Staffel lässt Fargo 3 mit Varga einen führenden Akteur dieses undurchsichtigen, anonymen Netzwerks auftreten, doch entzieht sich seine Darstellung wiederum einer figurativen Eindeutigkeit. In seiner Verführungskunst weist Varga Merkmale des diabolischen Bösen auf, lässt sich aber noch angemessener im Sinne der oben getroffenen, an Rosenkranz angelehnten Unterscheidung dem gespenstischen Bösen zurechnen. Nicht nur ist sein Erscheinen an einen (ökonomischen) Schuldzusammenhang gebunden und als Heimsuchung gestaltet, auch ist ihm eine Unsichtbarkeit und Unbestimmtheit zu eigen. Varga bleibt ein Mysterium, identitäts- und ortlos : Fragen nach seiner nationalen Zugehörigkeit wimmelt er mit der mondänen Aussage ab : « I like to think of myself as a citizen of the world. London, Manila, Johannesburg, Tokyo, Rome 58 » ; der Aufklärung über die Bedeutung der Initialen V. M. in seinem Namen entzieht er sich immer wieder; ja es ist nicht einmal klar, ob Varga sein richtiger Name ist, reist er doch in der letzten Folge, die im Jahr 2016 spielt, unter dem Namen Daniel Rand 59. Auch Vargas äußere, ostentativ durchschnittliche Erscheinung (schlecht sitzender Anzug, ausgeleierter Trenchcoat) bringt die Unscheinbarkeit und Austauschbarkeit dieses Antagonisten zum Ausdruck, weshalb er von Nikki Swango ironisch als Willy Loman, Hauptfigur in Arthur Millers Drama Death of a Salesman (1949), angesprochen wird. In einer Unterredung mit dieser lässt Varga unzählige Doubles in einer Hotellobby (Abb. 3 und 4) auflaufen, um einen geplanten Mord kaschieren zu können.

 

Diese Unscheinbarkeit ist eine Maske, die Varga zur Tarnung nicht nur seiner kriminellen Machenschaften, sondern auch seines Reichtums braucht :

 

Varga : In the favelas of Brazil, there are six-year-olds with Glocks. They roam in packs, stealing whatever they can find. Mexican low-lives stream into this country like wolves, eyeing our women and children. In the Congo, a family of six live on ten cents a day. You turn on the TV, what do you see ? Boat people. Mass migration. Youʼre living in the age of the refugee, my friend. [...] Millions of people bought houses they couldnʼt afford and now theyʼre living on the streets. 85% of the worldʼs wealth is controlled by 1% of the population. What do you think is gonna happen when those people wake up and realize youʼve got all their money ? [...] Look at me. This is a 200$ suit. I wear a second-hand tie. I fly coach, not because I canʼt afford first, but because Iʼm smart. [...] Thereʼs an accounting coming, Mr. Stussy, and you know Iʼm right. Mongol herds descending. What do you do to insulate yourself and your family ? You think youʼre rich. You have no idea what rich means. Rich is a fleet of private planes filled with decoys to mask your scent. Itʼs a banker in Wyoming and another in Gstaad. So thatʼs action item one, the accumulation of wealth, and I mean wealth, not money.

Emmit Stussy : Whatʼs action item number two ?

Varga : To use that wealth to become invisible  60.

 

Im Bewusstsein um die Ungerechtigkeit der globalen Vermögensverteilung setzt Varga Unsichtbarkeit als Strategie ein, um sich der Vergeltung der Armen und Betrogenen, die er als apokalyptisches Szenario antizipiert, zu entziehen. Tatsächlich gelingt es Varga, sich gespensterhaft durch Raum und Zeit zu bewegen, keine Spuren im Personenstandsregister oder im Internet (wie zuvor Lorne Malvo) zu hinterlassen, sodass « personne ne semble en mesure d’en vérifier l’existence véritable 61 ». « I am so rarely seen, maybe I donʼt even exist 62 », kommentiert Varga die ontologische Ungewissheit, die sein gespensterhaftes Agieren stiftet.

Dabei bezeichnet das Unsichtbar-Werden nicht die einzige quasi-magische Fähigkeit, die das Böse in Fargo 3 charakterisiert. Vargas Macht gründet darin, einen Wahrheitsdiskurs zu führen. Die Serie ist bevölkert von Figuren, die kleinere und größere Lügen auftischen, um ein Ziel zu erreichen (sei es Rache, sei es die Verschleierung von kriminellen Taten usw.), doch Varga geht es darum, systematisch diskursive Unsicherheit zu stiften und die Wahrheitsposition zu usurpieren. Dies versucht er dadurch zu erreichen, dass er zum einen Aussagen trifft, die entweder so vage oder so spezifisch (« in 1932, there were, what, 24 Hitlers in a German phonebook 63 ») sind, dass sie die Möglichkeit der Interaktion, geschweige denn des Widerspruchs, vereiteln. Zum anderen stehen Varga aber auch die nötigen (finanziellen) Mittel zur Verfügung, alternative Fakten zu schaffen : Der Brüderstreit zwischen Emmit Stussy und seinem jüngeren, weniger erfolgreichen Bruder Ray, der schließlich im – von Emmit mitverursachten – Tod Rays gipfelt, führt die Polizei und die Finanzbehörde zu Stussy Lots Ltd., weshalb auch Varga ein Interesse daran hat, die Ermittlungen in eine andere Richtung zu lenken. Um die polizeilichen Untersuchungen von sich und seinem Geschäftspartner abzuwenden, arrangiert Varga eine Mordserie und liefert der Polizei einen Täter, der sich freiwillig für den Mord an Männern mit dem Nachnamen Stussy festnehmen lässt. Varga schafft eine alternative Wirklichkeit, in dem er die Wirklichkeit (den Mord an Ennis Stussy, Gloria Burgles Stiefvater, und den Unfalltod von Ray Stussy) reproduziert und in der Wiederholung zum Verschwinden bringt.

Das Spiel mit Fakt und Fiktion bezeichnet ein anthologisch konstitutives, diegetisch und metadiskursiv 64 wiederkehrendes Element in Fargo, das in Staffel 3 eine politische Dimension gewinnt. Vargas Ideologie des Postfaktischen hat sein Vorbild in totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts. Bereits in der ersten Szene von Fargo 3, die in der DDR 1988 spielt, wird der Zusammenhang von Wahrheit und (politischer, ökonomischer) Macht als zentrales Thema der Staffel lanciert : Dem DDR-Bürger Jakob Ungerleider wird von einem Beamten der Staatssicherheit unterstellt, Yuri Gurka, ein 20-jähriger Austauschstudent aus der Ukraine, zu sein und als dieser seine Freundin Helga Albrecht umgebracht zu haben. Als Jakob Ungerleider darauf drängt, dass es sich bei dieser offensichtlich widersinnigen Anklage um ein Missverständnis handelt, stellt der Oberst klar, dass das Wahrheitsdispositiv beim Staat liegt :

 

Sie wollen wir damit sagen, dass die Behörde einen Fehler gemacht hat und dass der Staat falsche Informationen hat. [...] Herr Gurka, machen Sie es sich doch nicht so schwer. Ich habe Ihnen eine Leiche gezeigt. Kalt und das Gesicht blau angelaufen. Ich habe diese Leiche mit meinen eigenen Augen gesehen. Ihr Tod ist eine Tatsache. Was Sie die ganze Zeit erzählen, ist eine Geschichte. [...] Und wir sind nicht hier, um Geschichten zu erzählen. Wir sind hier, um die Wahrheit zu sagen. Verstanden  65 ?

 

Der echte Yuri Gorka, 20 Jahre später zum Handlanger von Varga avanciert, erklärt diese Praxis der Wahrheitsfälschung und -manipulation zu einem Vorrecht des politischen Führers : « You see, in Russia there are two words for truth. Pravda is menʼs truth. Istina is Godʼs truth. But there is also nepravda. Untruth. And this is the weapon the leader uses. Because he knows what they donʼt. The truth is whatever he says it is 66. »

Staffel 3 setzt einen Wettbewerb der Erzählungen in Szene und stellt Wahrheit so als einen Diskurs- und Machteffekt aus, ohne dabei jedoch einem Wahrheitsrelativismus zu verfallen. In der seriellen Diegese wird immer wieder die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge (pravda und nepravda) herausgehoben, Praktiken der Wahrheitsmanipulation als solche markiert und eine relativistische Sicht auf Wahrheit mit totalitärer Machtausübung 67 in Verbindung gebracht. Zugleich wird der relativistische Wahrheitsbegriff mit der Anspielung auf die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 68 als ein strukturelles Problem des Finanzsektors kenntlich gemacht, in welchem die Praxis der Spekulation und der Handel mit spekulativen Finanzprodukten an der Tagesordnung sind und zu einem Realitätsverlust bei den Beteiligten führen, der auf andere gesellschaftliche Bereiche übergreift. Vargas « ökonomische[r] Imperialismus, d. h. [...] [die] Übertragung privatwirtschaftlicher Handlungslogiken auf nichtökonomische Sphären und Institutionen 69 » tritt durch den fortwährenden seriellen Bezug auf vergangene und gegenwärtige totalitäre und autoritäre Systeme als Gefahr für demokratische Gesellschaften zutage.

 

Das Reale der Körper

In der Forschung wird immer wieder die Nähe des Quality TV zu literarischen Genres, allen voran dem Gesellschaftsroman des 19. Jahrhunderts, betont 70. So sehr einer solchen Traditionsbildung mit Vorsicht zu begegnen ist, wo sie mediale Unterschiede und kulturhistorische Entstehungskontexte unterschlägt, so angemessen scheint ein diesbezüglicher Vergleich, vermag doch serielles Erzählen durch Verfahren der Variation und Überbietung eine ›epische Breite‹ zu erreichen, die in Literaturdebatten bisher dem Gesellschaftsroman vorbehalten war 71. So lässt sich auch Fargo in der Tradition von Honoré de Balzacs Romanzyklus La Comédie humaine (1842‒1848), Charles Dickensʼ Pickwick Papers (1836‒1837) oder Thomas Manns Buddenbrooks (1901) als Sittengemälde der amerikanischen Gesellschaft lesen, wobei die Serie die ökonomische und technologische Modernisierung in den Blick nimmt und ihre Konsequenzen für das gesellschaftliche Miteinander eruiert. In den bisherigen drei Staffeln wird die Evolution des Kapitalismus vom Eigentümer- zum Manager- und schließlich zum Finanzkapitalismus nachgezeichnet : der Weg von der Entstehung nationaler Multi-Konzerne (Staffel 2) über die Herausbildung eines « faustischen [...] Individualismus72 », der von einer neoliberalen Ideologie des Naturrechts getragen wird (Staffel 1), bis hin zur Durchsetzung eines globalen, spekulativen Kapitalismus, dem eine imperialistische Logik zugrunde liegt (Staffel 3). In Fargo werden diese Entwicklungen kritisch in den Blick genommen, insofern sie in der Gestaltung des Bösen zum Tragen kommen. Dabei entfaltet die Serie eine Ästhetik der Figurlosigkeit, die der ontologischen und epistemologischen Komplexität der sozio-ökonomischen Ordnung Rechnung trägt und die Gerichtbarkeit dieses mit der ökonomischen und politischen Sphäre verschränkten Verbrechertyps bzw. -kollektivs problematisiert. Auch wenn einzelne Akteure wie Malvo am Ende von Staffel 1 ausgeschaltet werden können, die neoliberale Agenda der « dog-eat-dog-world » geht mit Malvo nicht zugrunde, sondern kehrt mit Varga in Staffel 3 wieder.

So figur-, gesichts- und körperlos das Böse in der Spätmoderne auch daherkommen mag, Fargo ergründet die realen, dabei auch immer schon körperlichen Manifestationen und Folgen seines Wütens. In der expliziten und drastischen Zurschaustellung von Gewalt und von Gewalt gezeichneten und entstellten Körpern wird der Auflösung von Identitäten und Materialitäten in digitalen Medien und ökonomischen Netzwerken die unhintergehbare Realität versehrbarer, verletzlicher Körper entgegengehalten. Die zweite Staffel findet in dem Metzger-Beruf des Protagonisten Ed Blumquist ein Sinnbild für die martialische Logik der spätmodernen Gesellschaftsordnung, die tief in der amerikanischen Geschichte verwurzelt ist 73. Serielle Bezüge zur Kolonialisierung und zur Vernichtung der indigenen Bevölkerung, zum Zweiten Weltkrieg und zum Vietnamkrieg weisen die amerikanische Geschichte als eine Gewaltgeschichte aus, die auch im 20. und 21. Jahrhundert weiterhin fortwirkt. Dennoch wird in Fargo kein Geschichtsfatalismus perpetuiert. Nicht nur werden ahistorische Geschichts- und Rechtsauffassungen als Herrschaftsmittel enttarnt, zentrales Thema der Serie ist auch der unermüdliche Kampf gegen das Böse, das so profaniert und als Aufgabe behandelt wird : « The problem is not that there is evil in the world, the problem is that there is good. Because otherwise, who would care 74 ? »

 

  1. Knut Hickethier, « Das narrative Böse : Sinn und Funktionen medialer Konstruktionen des Bösen », S. 227‒243, in Werner Faulstich (Hg.), Das Böse heute. Formen und Funktionen, München, Fink, 2008, S. 240.
  2. Christine Blättler, « Überlegungen zur Serialität als ästhetischem Begriff », Weimarer Beiträge, 49/4, 2003, S. 502‒516, S. 503.
  3. Jens Ruchatz, « Sisyphos sieht fern : oder Was waren Episodenserien ? », Zeitschrift für Medienwissenschaft 7/2, 2012, S. 80–89, S. 84.
  4. Ausgehend von der Beobachtung, dass serielle Produkte der populären Kultur nicht nur mit anderen kommerziellen Formaten, sondern auch mit sich selbst in einem fortwährenden Konkurrenzkampf stehen, sehen Andreas Sudmann und Frank Kelleter die Überbietung als «eine der erfolgreichsten Strategien, Standardisierung in kompetitive Erneuerung zu überführen». Danach beziehen zeitgenössische Fernsehserien ihr Innovationspotenzial immer wieder aus der Selbst- und Fremdkonkurrenz, indem sie die «wiederholte Intensivierung erfolgreich etablierter Distinktionsmerkmale» in inter- und intraserieller Hinsicht betreiben. Andreas Jahn-Sudmann, Frank Kelleter, « Die Dynamik serieller Überbietung : Amerikanische Fernsehserien und das Konzept des Quality-TV », S. 205‒224, in Frank Kelleter (Hg.), Populäre Serialität. Narration – Evolution Distinktion, Bielefeld, Transcript, 2012, S. 207.
  5. Die vierte Staffel von Fargo, die in den USA im September 2020 Premiere hatte, spielt in den 1950er Jahren.
  6. Vgl. « Grundlegend ist für das Genre eine Balance zwischen der Verletzung der Normen und ihrer Wiederherstellung, zwischen Unordnung und Ordnung, zwischen der Ausübung des Verbrechens und seiner Bekämpfung. » Knut Hickethier, »Einleitung«, S. 11‒41, in Knut Hickethier (Hg.), Filmgenres. Kriminalfilm, Stuttgart, Reclam, 2005, S. 11.
  7. In der seriellen Diegese wird in Staffel 2 und 3 immer wieder auf den Mythos von Sisyphos Bezug genommen; als Daseinsmetapher in der Nachfolge von Camus ist das Bild des sich gegen die Absurdität des Lebens und seine Widerstände stellenden Helden aber auch als Leitthema der Serie zu lesen. Zur seriellen Signatur des Sisyphos-Mythos siehe Jens Ruchatz, « Sisyphos sieht fern », op. cit.
  8. Vgl. Joachim Latacz, Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2003 [1993], S. 80‒82.
  9. Juliane Vogel, Aus dem Grund. Auftrittsprotokolle zwischen Racine und Nietzsche, Paderborn, Fink, 2018, S. 31.
  10. Vgl. Erich Auerbach, « Figura », S. 119‒188, in Friedrich Balke, Hanna Engelmeier (Hg.), Mimesis und Figura, Paderborn, Fink, 2018 [2016].
  11. Knut Hickether, « Das narrative Böse », op. cit, S. 236.
  12. Knut Hickether, « Das narrative Böse », op. cit, S. 236.
  13. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, Stuttgart, Reclam, 1990, S. 160.
  14. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 305.
  15. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 282.
  16. Rosenkranz zitiert folgende Passage aus der Ilias : « Der hässlichste Mensch vor Ilios war er gekommen :/ Schielend war er, und lahm am anderen Fuß ; um die Schultern/ Höckerig, gegen die Brust ihm geengt, und oben erhub sich/ Spitz sein Haupt, auf dem Scheitel mit dünnlicher Wolle besäet. » Homer : Ilias. Zit. nach Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 304.
  17. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 307.
  18. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 308.
  19. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 313.
  20. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 313.
  21. John Milton, Paradise Lost : The Biblically Annotated Edition, Macon, Mercer University Press, 2011, S. 136 [Book IV].
  22. Johann Wolfgang von Goethe, Faust : Erster Teil, Frankfurt am Main, Insel, 1974, S. 21.
  23. Gero von Wilpert, Die deutsche Gespenstergeschichte : Motiv – Form – Entwicklung, Stuttgart, Kröner, 1994, S. 12.
  24. Vgl. Gero von Wilpert, Die deutsche Gespenstergeschichte, op. cit., S. 14.
  25. Karen Gloy, Komplexität – ein Schlüsselbegriff der Moderne, Paderborn, Fink, 2014, S. 11.
  26. Karen Gloy, Komplexität – ein Schlüsselbegriff der Moderne, op. cit., S. 18.
  27. Bernd Blaschke, « McKinseys Killerkommandos. Subventioniertes Abgruseln: Kleine Morphologie (Tool Box) zur Darstellung aktueller Wirtschaftsweisen im Theater », S. 209‒224, in Franziska Schößler, Christine Bähr (Hg.), Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution, Bielefeld, Transcript, 2009, S. 220.
  28. Joseph Vogl, Das Gespenst des Kapitals, Zürich, Diaphanes, 2010/2011 [2010], S. 14.
  29. Bernhard Vief, « Digitales Geld », S. 117‒146, in Florian Rötzer (Hg.), Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt/M., Suhrkamp, 1991, S. 140.
  30. Bernd Blaschke, « McKinseys Killerkommandos. Subventioniertes Abgruseln », op. cit, S. 220.
  31. Daniel Damler, Konzern und Moderne. Die verbundene juristische Person in der visuellen Kultur 1880‒1980, Frankfurt/M., Vittorio Klostermann, 2016, S. 18.
  32. Daniel Damler, Konzern und Moderne, op. cit., S. 304.
  33. Noah Hawley, Fargo, 02x01, Waiting for Dutch, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:03:11‒00:03:34.
  34. Noah Hawley, Fargo, 02x04, Fear and Trembling, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:19:54‒00:19:55.
  35. Noah Hawley, Fargo, 02x02, Before the Law, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 00:09:03‒00:09:07.
  36. Noah Hawley, Fargo, 02x04, Fear and Trembling, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:01:59‒00:02:01.
  37. Noah Hawley, Fargo, 02x01, Waiting for Dutch, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:46:21‒00:46:23.
  38. Noah Hawley, Fargo, 02x08, Loplop, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:49:50‒00:50:26.
  39. Noah Hawley, Fargo, 02x10, Palindrome, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:17:11‒00:18:04.
  40. Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, München, Beck, 2017 [2013], S. 84‒92.
  41. Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, op. cit., S. 116f.
  42. Sonach waren die die Achtzigerjahre unter Reagan « über weite Strecken durch Unternehmenszusammenschlüsse, mehr oder weniger feindliche Firmenübernahmen und die berüchtigten leveraged buy-outs gekennzeichnet ». Thomas Biebricher, Neoliberalismus zur Einführung, Hamburg, Junius, 2012, S. 116.
  43. Noah Hawley, Fargo, 02x10, Palindrome, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2015, 00:37:17‒00:37:20.
  44. Zur Einordnung der ersten Staffel in das filmische Universum der Coen-Brüder siehe Dominik Schmitt, « ‹ Welcome to Coenville › : Noah Hawleys Fargo als serielle Weiterentwicklung des filmischen Universums der Coen Brothers », S. 193‒207, in Jonas Nesselhauf, Markus Schleich (Hg.), Das andere Fernsehen ?! Eine Bestandsaufnahme des « Quality Television », Bielefeld, Transcript, 2016.
  45. Jürgen Heizmann, « Fargo – Fast wahre Geschichten aus dem finsteren Herzen Amerikas », S. 87‒101, in Hans Richard Brittnacher, Elisabeth K. Paefgen (Hg.), Im Blick des Philologen. Literaturwissenschaftler lesen Fernsehserien, München, edition text + kritik, 2020, S. 93.
  46. Karl Rosenkranz, Ästhetik des Hässlichen, op. cit., S. 340.
  47. Noah Hawley, Fargo, 01x01, The Crocodile's Dilemma, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2014, 00:42:51‒00.43:30.
  48. Noah Hawley, Fargo, 01x05, The Six Ungraspables, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2014, 00:37:32‒00:37:51.
  49. Schmitt, « ‹ Welcome to Coenville ›: Noah Hawleys Fargo als serielle Weiterentwicklung des filmischen Universums der Coen Brothers », op. cit., S. 201.
  50. Noah Hawley, Fargo, 01x03, A Muddy Road, © MGM Television Entertainment Inc. und Bluebush Productions, LLC, 2014, 00:19:51‒00:19:52.
  51. Noah Hawley, Fargo, 03x10, Somebody to Love, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:06:40‒00:06:55.
  52. Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, op. cit., S. 98.
  53. Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, op. cit., S. 97.
  54. Die Staffel 3 hat ein offenes Ende. Varga wird am Flughafen von Gloria Burgle, die ihren Polizeidienst quittiert hat und 2016 im Ministerium für Innere Sicherheit arbeitet, festgesetzt. Varga ist felsenfest davon überzeugt, dass er auch dieses Mal wieder frei davonkommen wird, während Gloria ihn darauf einstimmt, dass er strafrechtlich belangt wird. Bevor es zur Auflösung kommt, wird abgeblendet.
  55. Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus, op. cit., S. 94.
  56. Nikki und Mr. Wrench erhalten Hilfe von einer ominösen, übernatürlich-religiös kodierten Figur namens Paul Marrane, der in Folge 3 auch mit Gloria interagiert. Ähnlich ist es auch Lou Solverson in Staffel 2 ergangen, der sein Leben der Intervention eines UFOs zu verdanken hat. Auf diese Figuration übernatürlicher Kräfte und ihre Verbindung zur Sphäre des Guten sei an dieser Stelle nur hingewiesen.
  57. Noah Hawley, Fargo, 03x06, The Lord of No Mercy, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:07:17‒00:07:24.
  58. Noah Hawley, Fargo, 03x04, The Narrow Escape Problem, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:34:50‒00:35:00.
  59. Der Name Rand kann als Anspielung auf die Autorin Ayn Rand gesehen werden, die mit ihrer Verteidigung des Egoismus und der Forderung nach einem uneingeschränkten Kapitalismus noch heute eine breite Rezeption in libertären Kreisen erfährt.
  60. Noah Hawley, Fargo, 03x04, The Narrow Escape Problem, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:37:09‒00:39:53.
  61. Farah Ben Jeema, « This is a true story : le masque du fait divers dans la série télévisée Fargo de Noah Hawley», Posture 27, 2018, http://revuepostures.com/fr/articles/ben-jemaa-27. Dt. : « niemand imstande zu sein scheint, seine Existenz zu verifizieren ».
  62. Noah Hawley, Fargo, 03x06, The Lord of No Mercy, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:38:22‒00:38:27.
  63. Noah Hawley, Fargo, 03x06, The Lord of No Mercy, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:18:03‒00:18:08. Gloria Burgle hinterfragt diese Behauptung.
  64. Am Anfang jeder Episode wird folgender Text eingeblendet : « This is a true story. The events depicted took place in Minnesota in 2006 [1979; 2010]. At the request of the survivors, the names have been changed. Out of respect for the dead, the rest has been told exactly as it occurred.  »
  65. Noah Hawley, Fargo, 03x01, The Law of Vacant Places, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:03:08‒00:05:43.
  66. Noah Hawley, Fargo, 03x04, The Narrow Escape Problem, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:13:47‒00:14:19.
  67. Einen Bezugspunkt für Vargas Machtausübung bilden totalitäre Diktaturen aber auch insofern, als dass er seine Widersacher*innen mithilfe modernster Technologien und Medien ausspioniert und Hackerangriffe ausübt, dabei den stalinistischen Überwachungsstaat zum Vorbild nehmend. In seinem Büro hängt ein Porträt des russischen Diktators.
  68. Vgl. Noah Hawley, Fargo, 03x06, The Lord of No Mercy, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:03:41‒00:04:03: « A 150-year-old bank with $60 billion in assets collapses overnight. Its stock price drops 93% in eight hours. One day, itʼs solvent, the next, itʼs worthless. Perception of reality becomes reality. »
  69. Biebricher, Neoliberalismus zur Einführung, op. cit., S. 163.
  70. Vgl. dazu z. B. Vincent Fröhlich u. a. (Hg.), Fernsehserie und Literatur. Facetten einer Medienbeziehung, München, edition text + kritik, 2019.
  71. Fröhlich und Ruchatz stellen klar, dass in Vergleichen von Fernsehserie und Gesellschaftsroman das « Idealbild des Romans » aufgerufen und dabei ein « Bedauern » über den Zustand des Gegenwartsromans ausgedrückt wird: «Weil die Literatur ihre gesellschaftliche Wirksamkeit (zugunsten der Selbstbeschäftigung) eingebüßt hat, muss der Gesellschaftsroman das Medium wechseln.  » Vincent Fröhlich, Jens Ruchatz, « Teil 1 : Die Fernsehserie als Roman des 21. Jahrhunderts ? Roman und televisuelle Narration im Vergleich », S. 25‒61, in Vincent Fröhlich u. a. (Hg.), Fernsehserie und Literatur. Facetten einer Medienbeziehung, München, edition text + kritik, 2019, S. 38f.
  72. Wolfgang Maderthaner, Lutz Musner, « Leerstelle. Über den Verlust des Sozialen in den zeitgenössischen Kulturwissenschaften«, S. 19‒37, in Oliver Scheiding u. a. (Hg.), Kulturtheorien im Dialog. Neue Positionen zum Verhältnis von Text und Kontext, Berlin, Akademie-Verlag, 2011, S. 26.
  73. Zum historischen Konnex von Zivilisation und Barbarei in der Serie siehe auch Jürgen Heizmann, « Fargo », op. cit., S. 97‒101.
  74. Noah Hawley, Fargo, 03x09, Aporia, © MGM Television Entertainment Inc. und FX Productions, LLC, 2017, 00:40:17-00:40:30.